Was ist „Spirituelle Psychologie“?

Die Psychologie (altgriech. psychología) ist, einfach ausgedrückt, die Wissenschaft, die das Wesen, die Eigenschaften und die Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Psyche und der psychischen Prozesse erforscht. Die Psychologie beobachtet, beschreibt und erklärt die Selbst- und Mitweltwahrnehmung des Menschen, sein Erleben, Empfinden und Verhalten sowie seine Entwicklung im Laufe des Lebens einschließlich aller dafür maßgeblichen inneren und äußeren Ursachen.

Der in diesem Wort enthaltene Begriff Psyche (altgriech. psyché) heißt wörtlich zunächst «Hauch, Atem, Leben, Lebenskraft» [< altgriech. psýchein = «hauchen, atmen, leben», ebenso im Sinne von «aushauchen, sterben»]. Er wurde dann im übertragenen Sinne auch für «das Ausgehauchte» verwendet, also für die «Seele» (des Verstorbenen), die beim Tode den Körper verlässt und quasi mit dem letzten Atemzug ausgehaucht wird. Schließlich erlangte das Wort die heute allgemein übliche Bedeutung von so etwas wie «Geist, Verstand, Gemüt, Wesen, Eigenart, Bewusstsein oder Innenleben» eines Menschen. Da «Psyche» offensichtlich ein sehr breites Bedeutungsspektrum aufweist, scheint es angebracht, zu differenzieren.

Der Begriff Psychologie lässt sich folglich übersetzen als «Geisteskunde» (im Englischen «Study of the Mind») oder auch als «Gemütskunde», «Bewusstseinskunde» oder «Seelenkunde». Die Psychologie untersucht im Gegensatz zur Medizin nicht den physischen Körper des Menschen, sondern sein Bewusstsein, sein «Innenleben».

Was aber untersucht und erforscht die Psychologie eigentlich? Was genau ist die «Psyche»? Aus welchen Elementen besteht das «menschliche Innenleben» nun genau?

Es liegt auf der Hand, dass die Definition und das Verständnis von «Psychologie» in erster Linie abhängig sind von der Definition des Begriffs «Psyche». Denn je nachdem, was man unter Begriffen wie «Geist», «Seele» oder «Bewusstsein» versteht, können sich ganz unterschiedliche Untersuchungsbereiche und auch Aufgaben der Psychologie ergeben. Und die Definition des Begriffs «Psyche» ihrerseits ist – wie nahezu alles – abhängig vom Weltbild, für das ein Mensch sich entschieden hat. So finden wir deutliche Unterschiede im Verständnis von «Psyche», je nachdem, ob jemand etwa ein materialistisches, ein dualistisches, ein monistisches oder ein theistisches Weltbild vertritt.

Denn Begriffe wie «Psyche», «Geist» oder «Seele» werden in den verschiedenen philosophischen oder auch theologischen Anschauungen und Traditionen der Menschheitsgeschichte durchaus verschiedenartig definiert. Nicht nur, dass der gleiche Begriff je nach Schule für unterschiedliche Aspekte und Phänomene des menschlichen Innenlebens verwendet wird; es stehen teilweise auch ganz unterschiedliche oder gar konträre Welt- und Menschenbilder dahinter.

So werden beispielsweise im Weltbild des Materialismus (und damit auch in der materialistischen Psychologie) «Psyche» und «Bewusstsein» lediglich als Funktionen der stofflichen Materie, also des menschlichen Gehirns, betrachtet. Eine nicht ausschließlich auf die Materie ausgerichtete, höherdimensionale Wissenschaft geht im Gegensatz dazu davon aus, dass nicht die stoffliche, physikalische Materie und ihre Gesetze die bestimmenden Kräfte im Universum sind, sondern vielmehr ein nicht-materielles, transzendentes Bewusstsein. Diesem Weltbild gemäß ist das Bewusstsein, die Seele, nicht ein Produkt der Materie, sondern es ist im Gegenteil der Faktor, der die Materie erst belebt, welche ohne Bewusstsein, ohne Anwesenheit der Seele, leblos wäre.

Diese gravierenden Unterschiede in den zugrunde liegenden Weltbildern machen die ganze Thematik einigermaßen unübersichtlich und zuweilen auch verwirrend. Darum scheint es erforderlich, dass wir zunächst Ordnung schaffen in diesen unterschiedlichen Ansatzpunkten, Begriffsdefinitionen und Zielsetzungen der Psychologie. Wir tun dies, indem wir in einem ersten Schritt (1.) die beiden Begriffe «feinstofflicher Körper» und «Seele» klar voneinander unterscheiden, die beide als mögliche Übersetzung des altgriechischen Wortes psyché gelten, und indem wir in einem zweiten Schritt (2.) auch die neu einzuführenden Begriffe «Mentalkörper» (Gedanken und Gefühle) und «Buddhi-Energie» (Klarheit, Unterscheidungs-vermögen) als zwei gänzlich verschiedene Aspekte des feinstofflichen Energiekörpers voneinander unterscheiden. Weitere Ausführungen dazu finden Sie in Band 1 unserer Buchtrilogie „Die Wissenschaft der Psychologischen Handanalyse“. 

In der Psychologischen Handanalyse gehen wir von einem Ansatz aus, der in einem ganzheitlichen und multidimensionalen Weltbild gründet und bei dem die Psychologie nicht nur das Dreidimensional-Materielle kennt. Man könnte dieses Weltbild auch «spirituelles Weltbild» oder präziser ausgedrückt «theistisches Weltbild» nennen. Dies ist der Hintergrund dafür, dass wir in der Überschrift des vorliegenden Blogs von «spiritueller Psychologie» sprechen.

«Spirituelle Psychologie» heißt hier also nicht, dass wir die spirituelle, nicht-materielle Seele selbst zum Gegenstand unserer Untersuchungen machen, denn diese entzieht sich aufgrund ihrer immateriellen Natur verständlicherweise jeglicher materieller Untersuchungsmöglichkeiten. Vielmehr meinen wir damit, dass wir den Aufbau, die Struktur und die Funktionsweise des feinstofflichen Körpers (psyché) sowie die subtilen psychologischen Naturgesetze, welche die Wahrnehmung und das Handeln des Menschen steuern, nicht aus einer bloß materiellen, sondern aus einer spirituellen Perspektive betrachten und untersuchen werden. Dieser andere, nicht materielle Blickwinkel auf den psychischen Körper, in dem und mit dem wir alle in dieser Welt leben, wird uns möglicherweise neue, tiefere Einsichten in unser Da-Sein und in unser So-Sein eröffnen.

Als verlässliche Grundlage für unsere psychologischen Betrachtungen dient uns das Welt- und Menschenbild der altindischen Veda-Philosophie*. Wie bereits erwähnt, stellen die vedischen Schriften nicht nur das zeitlose Vermächtnis der ältesten bekannten Hochkultur der Menschheitsgeschichte dar, sondern sie gelten obendrein auch als die ursprüngliche Quelle der Handlesekunst. So gesehen ergibt es doppelten Sinn, dass wir uns im Rahmen einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Handlesen insbesondere auf diese Quellen stützen. In unzähligen Veda-Texten wird der Aufbau und die Funktionsweise des feinstofflichen Körpers weit präziser und differenzierter beschrieben als etwa in der griechischen Antike. Und da die Veda-Philosophie sich nicht auf das Physikalisch-Grobstoffliche begrenzt, ist sie in der Lage, das menschliche Innenleben schlüssiger zu erklären als es die moderne materialistische Psychologie zu tun imstande ist. 

* Das Sanskritwort veda = «Wissen, Erkenntnis» steht in diesem Zusammenhang als Sammelbegriff für die offenbarten und traditionellen Weisheitsschriften der altindischen Hochkultur und für das darin enthaltene Urwissen. Diese Hochkultur wird auf der Grundlage dieses Begriffs meist als «vedische Kultur» bezeichnet, die Schriften entsprechend als «vedische Schriften» oder «Veda-Schriften» und die in ihren dargelegte Philosophie als «Veda-Philosophie». 

2. November 2018 |