Die geistigen Lebensgesetze

Wenn wir davon ausgehen, dass die Existenz der Seele innerhalb der materiellen Welt – oder spezifischer: die menschliche Existenz auf dem Schulungsplaneten Erde – einen Grund, einen Sinn und ein Ziel hat, so ist es naheliegend anzunehmen, dass uns für dieses große «Spiel des Lebens» auch gewisse «Spielregeln» zur Verfügung stehen bzw. mit auf den Weg gegeben werden.

Und wenn dem so ist, dann ist es gewiss empfehlenswert, dass wir uns, wenn wir das Spiel des Lebens ernsthaft und erfolgreich zu spielen trachten, mit diesen Spielregeln möglichst vertraut machen, bevor wir einfach anfangen, wild drauflos zu spielen. Denn wer die Spielregeln kennt und beherzigt, der spielt entspannter, besser und auch erfolgreicher – dies gilt nicht nur beispielsweise im Fußball oder im Schach oder in jedem anderen Spiel, sondern insbesondere auch im großen kosmischen Spiel des Lebens. (Dieses wird in der Sanskritsprache übrigens Līlā genannt.) Sowohl in der spirituellen Psychologie als auch in der Psychologischen Handanalyse erachten wir es für wichtig, dass man mit diesen grundlegenden geistigen Lebensgesetzen vertraut ist und diese in der praktischen Arbeit anzuwenden weiß.

In den überlieferten Texten der Philosophie- und Religionsgeschichte etlicher Kulturen finden wir Hinweise auf «Spielregeln» und geistige Gesetze, die dem Kosmos und spezifisch dem menschlichen Dasein auf Erden zugrunde liegen, und bemerkenswerterweise sind sich die unterschiedlichen Quellen in ihren zentralen Aussagen einig. Aus der Fülle der entsprechenden Listen seien nachfolgend die «Sieben geistigen Gesetze (Prinzipien)» der altägyptischen Philosophie des Hermes Trismegistos aufgeführt. Diese finden wir in der einen oder anderen Ausformulierung in zahlreichen traditionellen wie auch modernen esoterischen Lehren wieder.

Die «Sieben geistigen Gesetze» der Hermetischen Philosophie

Die nachstehenden sieben geistigen Lebensgesetze werden der mythischen altägyptischen Gestalt Hermes Trismegistos zugeschrieben:*

1.) Das Gesetz der Geistigkeit

«Alles ist reiner Geist» (= alles ist spirituell durchdrungen)

Das materielle Universum sowie auch alles darin Enthaltene haben einen nicht-materiellen, geistigen (spirituellen) Ursprung. Alles, was in dieser Welt existiert, ist von dieser Geistigkeit, von dieser göttlichen Schöpferkraft, von diesem spirituellen Bewusstsein (im Sanskrit Brahman genannt) durchdrungen und getragen.

2.) Das Gesetz der Veränderung (Gesetz der Entwicklung, der Evolution)

«Das einzig Beständige ist die Veränderung»

Alles Erschaffene ist einem steten Wandel unterworfen, nichts ruht jemals. Nichts Materielles bleibt für immer in seiner Form bestehen, sondern alles verwandelt und erneuert sich fortwährend – unser Körper, unser Wissen, unsere Weltanschauungen, unsere Emotionen, unser Besitz, unsere gesellschaftlichen Strukturen usw. Wir sind also beständig aufgefordert, uns Neuem anzupassen, uns zu verändern und weiterzuentwickeln.

3.) Das Gesetz des Rhythmus (Gesetz der Schwingung)

«Alles bewegt sich und hat seinen eigenen Rhythmus»

Alles Erschaffene fließt, alles atmet aus und ein; alles hat seine Gezeiten; alles hebt sich und fällt nach seinem eigenen Rhythmus (siehe: altgriech. pánta rhei = «alles fließt»). Das Pendel schlägt immerfort von einem Pol zum anderen um und sorgt dadurch für Ausgleich und Harmonie. Auch jeder Mensch ist aufgefordert, seine ihm eigenen Arbeits-, Essens-, Ruhe-, Schlafrhythmen zu finden und in seinem eigenen Lebensfluss zu fließen

4.) Das Gesetz der Kausalität (Gesetz von Ursache und Wirkung; Karma-Gesetz)

«Was der Mensch sät, das wird er ernten»

Jede Ursache bringt eine Wirkung hervor, und jeder Wirkung liegt eine Ursache zugrunde («Aktion = Reaktion»).  Alles, was geschieht, geschieht gesetzmäßig und gerecht; es gibt keinen blinden «Zufall». Jeder Mensch erschafft sich durch seine Wünsche und Handlungen sein «Schicksal», sein Glück und sein Unglück, selbst und sollte daher auch die volle Verantwortung für sein karmisches Schicksal selbst tragen.

5.) Das Gesetz der Resonanz

«Gleich und Gleich gesellt sich gern»

Durch unsere eigene Resonanzfähigkeit können wir immer nur gerade jene Schwingungs- oder Wirklichkeitsbereiche wahrnehmen, die unserem derzeitigen Entwicklungsstand entsprechen. Gemäß der Ausrichtung unseres Bewusstseins ziehen wir immer gerade jene Menschen, Umstände, Ereignisse und Erfahrungen in unser Leben, die uns entsprechen und die uns helfen können, unseren nächsten Schritt zu gehen.

6.) Das Gesetz der Polarität bzw. der Dualität (Gesetz der Zweiheit)

«Jedes Ding hat zwei Seiten»

Nahezu alles in dieser Welt hat zwei Seiten und besteht aus Gegensatzpaaren, die sich entweder gegenseitig bedingen und ergänzen (= Polarität; z. B. Tag / Nacht, männlich / weiblich, Geburt / Tod usw.) oder aber sich gegenseitig ausschließen (= Dualität; z. B. Liebe / Hass, gut / böse, Wahrheit / Illusion usw.). Wir sind aufgefordert, erstens den wichtigen Unterschied zwischen Polarität und Dualität zu erkennen und uns zweitens dann insbesondere bei den dualen Gegensätzen für die eine oder für die andere Seite zu entscheiden.

7.) Das Gesetz der Entsprechung

«Wie oben, so unten; wie unten, so oben»

Die Verhältnisse im Großen (Makrokosmos: Universum, Sonnensystem) entsprechen jenen im Kleinen (Mikrokosmos: Erde, Mensch, Organ, Zelle, Atom). Das menschliche Leben auf dem Planeten Erde steht nicht isoliert im Kosmos, sondern ist mit allem anderen verbunden und vernetzt; alles durchwebt sich gegenseitig und folgt denselben geistigen Gesetzen, denn alles entstammt letztlich derselben geistigen Urquelle des Göttlichen.

Liebe als Erfüllung aller Gesetze

Zuweilen wird nebst diesen sieben Prinzipien noch ein achtes Prinzip genannt, das hinter und über allen anderen kosmischen Gesetzen als die tragende und alles durchdringende Kraft steht: die Liebe. Insbesondere in der theistischen Philosophie gilt die Liebe als die größte Kraft im Kosmos, von der alle Wesen getragen werden und nach der sich alle Wesen sehnen. Ohne Liebe gedeiht nichts. Sie ist der rote Faden, der sich durch alle göttlichen Gesetze zieht, und sie ist ein unmittelbarer Ausdruck der Schöpferkraft Gottes. Alle kosmischen Gesetze erfüllen sich durch diese göttliche Liebe. 

* Reihenfolge und Begrifflichkeiten aus: Heinz Rickli, «Mystik und Spiritualität – Eine Fibel für Einsteiger», erschienen 2009. 

20. Juni 2019 |