Ängste als regulative Massnahme

Auf dem persönlichen Entwicklungs- und Wachstumsweg spielt das Phänomen Angst eine zentrale Rolle. Angst ist ein äußerst komplexes Forschungsthema mit vielerlei Gesichtern und tritt in den unterschiedlichsten Formen auf, auf die wir an dieser Stelle nicht im Detail eingehen können.

Wenn wir im Rahmen der Psychologischen Handanalyse von Angst bzw. von Ängsten sprechen, so benennen wir damit machtvolle subtile Energien, die uns darauf aufmerksam machen, dass wir in einem bestimmten Themenbereich unseres Lebens aus der Balance und in eine Disharmonie gefallen sind, da wir derzeit dieses Thema entweder im Extrem des Zuviel oder im Extrem des Zuwenig leben.

Eine Angst zeigt sich für die meisten Menschen zunächst als eine unwillkommene Störung, die einen entweder leidenschaftlich antreibt oder aber blockiert und außer Kraft setzt. Bei genauerem Hinschauen offenbart sich jede Form der Angst allerdings als eine von der Natur gütigerweise eingebaute regulative und unterstützende Maßnahme, die einen heilsamen Entwicklungs- und Befreiungsprozess einleiten soll. Unsere Ängste – genauso wie übrigens auch viele unserer nicht direkt karmisch bedingten Krankheiten und sogenannten «Schicksalsschläge» – sollen uns wachrütteln und uns aufzeigen, wo genau unser Leben aus dem Lot geraten ist. Zugleich fordern sie uns dazu auf, eine besondere Bemühung zu unternehmen, um in dem entsprechenden Bereich in die Mitte, in die Balance zu kommen und wieder Harmonie zu schaffen.

Fritz Riemann (1902–1979), ein führender Psychoanalytiker des 20. Jahrhunderts, der sich insbesondere durch seine Forschungen auf dem Gebiet der menschlichen Ängste einen Namen gemacht hat, schreibt hierzu in der Einleitung zu seinem Standardwerk «Grundformen der Angst – Eine tiefenpsychologische Studie» (erschienen 1961): «Wenn wir Angst einmal ‹ohne Angst› betrachten, bekommen wir den Eindruck, dass sie einen Doppelaspekt hat: Einerseits kann sie uns aktiv machen, andererseits kann sie uns lähmen. Angst ist immer ein Signal und eine Warnung bei Gefahren, und sie enthält gleichzeitig einen Aufforderungscharakter, nämlich den Impuls, sie zu überwinden. Das Annehmen und das Meistern der Angst bedeutet einen Entwicklungsschritt, lässt ein Stück reifen. Das Ausweichen vor ihr und vor der Auseinandersetzung mit ihr lässt uns dagegen stagnieren; es hemmt unsere Weiterentwicklung und lässt uns dort kindlich bleiben, wo wir die Angstschranke nicht überwinden.»

4. Oktober 2019 |

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